Münster: Verschwendete Uni-AStA Studierendengelder zur Bekämpfung der Pressefreiheit?

397030_242839432467716_403509637_nDa brennt euer Geld“ titelte einst der bundesweit erscheinende Unispiegel in Bezug auf die Verschwendung von Studierendengeldern (siehe SSP400, S. 27). Darin war selbst ein Betrag von 330 Euro schon Anlass zur Kritik. Der Münsteraner AStA gab ein Vielfaches an Studierendengeldern aus, um die eigene AStA-Publikation („Links vorm Schloss“) zu fördern, obwohl von diesen Geldern bereits eine traditionsreiche Studierendenzeitschrift, der „Semesterspiegel“, finanziert wird.

Der Semesterspiegel (SSP) ist die älteste noch existierende Studierendenzeitschrift in Deutschland. Er wird von der Studierendenschaft der Uni Münster finanziert und genießt – ähnlich wie die öffentlich-rechtlichen Medien – die Pressefreiheit, was manchen Hochschulpolitiker*innen ein Dorn im Auge war (und möglicherweise immer noch ist). Als ehemaliger Redakteur & Chefredakteur (Juni 2013 bis Januar 2015) musste ich hautnah miterleben, wie einige Jungpolitiker*innen eine offensichtlich grundgesetzwidrige Zensur einführen wollten. So wurde beispielsweise eine Regelung beabsichtigt, die Inhalte regelmäßig vor Erscheinung des Hefts zu kontrollieren und den Druck des Semesterspiegels aufhalten zu können. Der Verfassungsbruch konnte damals durch die Interventionen der SSP-Redaktion sowie der liberalen Hochschulgruppe (LHG) verhindert werden (siehe SSP411, S.17-21).

Im Dezember 2015 bemerkte ich, dass der AStA der Uni Münster seine eigene, ihm unterstellte „Links vorm Schloss“ (LvS) von einer kleinen, ca. zweimal jährlich erscheinenden schwarzweiß gedruckten, preisgünstigen Infobroschüre zu einem alle zwei Monate in Farbe gedrucktem Magazin mit eigener, inhaltlich vom AStA abhängiger Redaktion mit größerer Auflage ausbaute.

Aufgrund der entstandenen Überschneidungen der AStA-Zeitschrift LvS mit dem Semesterspiegel und der vergleichsweise horrenden Ausgaben für die LvS gab es Befürchtungen, dass einige Hochschulpolitiker*innen den unabhängigen SSP durch die abhängige LvS ersetzen wollten, um kritischen Journalismus zu unterbinden.

Während zuvor angeblich noch das Geld fehlte, um dem – nach erheblichen Kürzungen in der Vergangenheit – mehrfach komplett vergriffenen Semesterspiegel die Auflage wieder nach oben anzupassen, wurde für die Aufwertung der AStA-Zeitschrift überraschend viel Geld bereit gestellt:

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Im Antragsdokument des damaligen AStA-Vorsitz (Cedric Döllefeld [CampusGrün] & Matthias Wiech [JusoHSG]) wurde für jedes LvS-Redaktionsmitglied monatlich 400 Euro Honorar veranschlagt, dass ist circa der zehnfache (!) Betrag, den SSP Redakteur*innen erhalten (Eine Übersicht über die „Aufwandsentschädigungen“ fürs Ehrenamt gibt’s hier). Bei drei Redakteur*innen macht dieser Posten alleine bis zu 14.400 € jährlich aus. Hinzu kommen natürlich noch die Druckkosten.

Der Druck wurde außerhalb der mittlerweile leider teuren AStA-Druckerei erlaubt, womit das Geld für den Wirtschaftskreislauf des AStA verloren ging. Dem SSP war das zu meiner Redaktionszeit (bis Januar 2015) nicht gestattet, damit das Geld innerhalb des AStA bleibt.

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Bei Recherchebeginn in dieser Sache weigerten sich die verantwortlichen AStA-Vorsitzenden (zu dem Zeitpunkt Cedric Döllefeld [CampusGrün] & Marieke Reiffs [JusoHSG, jetzt Bundesgeschäftsführerin der Juso Hochschulgruppen]), die erforderlichen Dokumente kostenfrei zur Verfügung zu stellen und verlangten jeweils 20 Euro für die einfache Zusendung einer PDF-Datei. Erst nachdem die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit die Unverhältnismäßigkeit der Kostenforderung klarstellte, wurde auf die Gebührenerhebung verzichtet.

Als die AStA-Vorsitzenden dann am 26.04.2016 endlich Auskunft gaben, lag das Protokoll vom 31.08.2015 – also von der Sitzung 10 Monate zuvor – noch nicht vor. Die Krönung ist deren Kommentar hierzu: „Eine Beschleunigung dieses Verfahrens für ein einzelnes Protokoll stellt für uns einen umfangreichen Verwaltungsaufwand dar„. Für die Erstellung eines einfach gehaltenen, einseitigen Ergebnisprotokolls, dass ohnehin veröffentlicht werden sollte, nach so langer Zeit von „Beschleunigung“ eines „umfangreichen Verwaltungsaufwands“ zu sprechen, ist schon, positiv formuliert, recht amüsant.

Die weitere Recherche wurde dadurch erschwert, dass die Protokolle des „HerausgeberInnengremiums“ (HGG), dem für den Semesterspiegel zuständigen, hochschulpolitischen Gremiums, über mehr als zwei Jahre nicht veröffentlicht wurden. Auf meine Anfrage hin wurden fünf Protokolle veröffentlicht, alle anderen Sitzungen erfolgten laut Präsidium des Studierendenparlaments unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Warum entschied man sich überhaupt dazu, die AStA-Zeitschrift LvS so stark zu fördern?

Aus Kreisen des damaligen AStA war zu erfahren, dass das vorherige Konzept der AStA-Zeitschrift keinen Sinn machte, da die Auflage gering war und hauptsächlich in hochschulpolitischen Kreisen verblieb, die Reichweite also entsprechend niedrig war. Die Frage war also Verbesserung oder Beendigung. Man entschloss sich zu einem letzten Versuch die AStA-Zeitschrift LvS zu reanimieren. Dass die Redaktion ein vielfaches mehr an Geld als die SSP-Redaktion erhielt, habe man zuvor nicht bedacht. Dass man das Geld nicht stattdessen in den Semesterspiegel gesteckt hatte, der ebenfalls von Studierendengeldern bezahlt und die gleiche Zielgruppe hatte, habe an den Inhalten des SSP gelegt: Man habe im SSP kritische Beiträge gegenüber der Universität vermisst. Die LVS fiel jedoch nicht gerade mit kritischer Berichterstattung gegenüber der Uni auf.

Zudem haben alle Studierenden das Recht, beim SSP eigene Artikel einzureichen. Warum es solche Einreichungen beim SSP seitens des damaligen AStA nicht gab, bleibt offen. Dass stattdessen der Weg gewählt wurde, eine andere Zeitschrift mit ähnlichem Konzept und weitaus besserer Finanzausstattung zu eröffnen, konnte den Eindruck erwecken, eventuell den SSP mittel- bis langfristig ersetzen zu wollen, auch wenn beim SSP selbst in dieser Zeit keine Kürzungen erfolgten.

Letztendlich ist die Sache mit der LvS dann offenbar so sehr gefloppt und die Einsicht der hochschulpolitischen Akteure so sehr gewachsen, dass die LvS mit der Oktoberausgabe 2016 nach weniger als einem Jahr komplett eingestellt wurde. Die Studierendenschaft spart sich somit die Kosten für eine zweite Studierendenzeitschrift und der Semesterspiegel ist somit offensichtlich außer Gefahr. Eine gute Entscheidung.

Nach drei Anfragen teilte das AStA-Finanzreferat kürzlich mit, dass die Gesamtausgaben (für Personalkosten/Aufwandsentschädigungen, Druckkosten etc.) laut vorläufigem Rechnungsergebnis 7789,73 Euro betragen.

Ob hier – nach dem Versuch der Einführung einer regelmäßigen Zensur im Jahre 2013 – ein weiterer Angriff auf die Pressefreiheit durch die Ersetzung des Semesterspiegels geplant war, kann durch die öffentlich zugänglichen Dokumente zumindest nicht nachgewiesen werden. Die Ausgaben für die AStA-Zeitschrift LvS und die ganze Debatte hätte man sich jedoch sparen können, hätte man die Inhalte über den Semesterspiegel veröffentlicht. Dieser steht weiterhin allen Studierenden hierzu offen.

Immerhin darf der Semesterspiegel in Folge der Diskussionen nun auch in einer weitaus preisgünstigeren regionalen Druckerei in Farbe drucken. Also Ende gut, alles gut? Mal abgesehen von den verlorenen 7789,73 Euro scheint es so.

 

Ich hoffe, dass dieser Blogartikel einen Beitrag dazu leistet, dass sich solche Fehler nicht wiederholen. Denn gerade in Zeiten zunehmender Vereinnahmung der Medien durch politische und wirtschaftliche Akteure ist unabhängiger Journalismus ein hohes Gut unserer freien Gesellschaft, dass vor zu viel Einflussnahme schützen kann und geschützt werden muss.

Update: In den Facebook-Kommentaren hierzu wurde dem AStA empfohlen, den Youtube-Kanal zu reanimieren. Das wäre sicherlich weitaus billiger, aktueller und moderner als für viel Geld eine zweite Zeitschrift raus zu bringen.

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